Beherrscht
Wir tun alle Dinge, die wir eigentlich nicht wollen und von denen wir wissen, dass sie Schaden anrichten. Wir tun es überall – im öffentlichen Leben und auch bei uns daheim. Warum nur? Paulus nennt den Grund: Menschen leiden an einem grundsätzlichen Leiden, sie sind „tot in Sünden“, gebunden durch Satan. Die Bilder der menschlichen Geschichte bedürfen keiner weiteren Erklärung, auch nicht Beschreibungen unserer Gegenwart. Der Apostel zeigt jedoch mit dem Finger nicht auf andere: „Wir alle haben einst unser Leben geführt in den Begierden des Fleisches“ (V. 3). Eine ehrliche und nüchterne Erklärung für manches Elend! Wir tun es, weil wir müssen! „Kinder des Zorns“ werden beherrscht und sind von der Sünde bis in die Tiefe ihrer Seele beschädigt (vgl. Hebr 2,14.15!). Ein einfaches Lösen von Ketten hilft nicht.
Lebendig gemacht!
Keine Frage – der Mensch hat vieles unternommen, um sich zu befreien und anders zu werden. Und es scheint auch Leute zu geben, die nicht betroffen sind, die edlen, selbstlosen und gottesfürchtigen Gemüter. Doch aufs Ganze gesehen, ist die Lage des Menschen erschütternd.
Mit einem „Aber Gott“ beschreibt Paulus Veränderung und Rettung. Unsere natürliche, menschliche Grundbefindlichkeit, die der Apostel mit „tot in Sünden“ kennzeichnet, überwindet der Herr nicht im Kampf mit dem Bösen. Nein, durch seinen Sohn Jesus Christus macht er die Toten lebendig und dies nicht erst, wenn sie gestorben sind. „Mit Christus lebendig gemacht“ (V. 5) – das geschieht heute, und meint Reue und Nachfolge, Taufe und Wiedergeburt (vgl. Joh 3-5). Mit Christus lebendig gemacht, mit ihm „auferweckt und eingesetzt im Himmel“ – wer es erfährt, dankt Gott und betet an, nicht selten mit Tränen der Erleichterung.
„Wir sind sein Werk“ (V. 10) in mehrfacher Hinsicht: Der Herr hat uns zweimal Leben anvertraut. Unser Menschsein haben wir von ihm, unseren Körper, unser Gemüt, Seele und Verstand. Aber auch unseren Glauben, unser Christsein und natürlich die Ewigkeit mit Christus verdanken wir Gottes Liebe und Fürsorge.
Begnadigt und geglaubt!
Paulus versichert mehrfach, dass Gottes Handeln an uns bedingungslos ist, nicht als Reaktion oder Antwort verstanden sein kann. Es ist allein Gnade, die ihn bewegt hat, uns selig zu machen. Mein Glaube ist nicht Grundlage für ihn und schon gar nicht Voraussetzung. Es ist ein wunderbares Geschenk und wird es immer bleiben. „Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben“ (V. 8).
Nahe und Ferne – beide sind dabei!
Durch den Glauben an Christus werden wir nicht allein mit Gott versöhnt. Wir werden auch mit Menschen verbunden, die dem Herrn schon immer nahegestanden sind. Auch das jüdische Volk empfängt durch den Sohn Gottes Frieden und Versöhnung, auch wenn es sich noch schwertut, das anzuerkennen. Und so wird „aus beiden eines gemacht“ (V. 14). Die Feindschaft betrachtet der Herr durch das Werk Jesu als beendet. Eine neue Gemeinschaft von Juden und Christen legt er an: „Damit er in sich selber aus den zweien einen neuen Menschen schaffe und Frieden mache“ (V. 15). Wie waren wir nur imstande, diesen göttlichen Wunsch zu ignorieren und mit Füßen zu treten? „Friede denen in der Ferne und denen in der Nähe“ (Jes 7,19) – dieser Frieden kommt allein durch Jesus Christus in die Welt (vgl. Lk 2,17) und ermöglicht uns „in einem Geist den Zugang zum Vater“ (V. 18).
Wir werden sesshaft!
Eine grundlegende Erfahrung gilt nun: Jesus hat den Status unseres Wohnortes verändert. Wir sollen keine „Fremdlinge“ (V. 19) mehr sein. „Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“ – so lautet die neue Identität von denen, die an Jesus Christus glauben. Sie erfahren förmlich, wie ihr Leben zu einer Wohnung Gottes wird (Joh 14,23). Alles, was hier durch den Herrn entsteht, ist beständig, auf Wachstum angelegt und heilig. Und wir sind mittendrin!
Wir können uns aufrichtig freuen über diese Wohnperspektive. Gleichzeitig lassen wir uns daran erinnern, dass Paulus ausdrücklich nicht von separaten Wohnungen gesprochen hat. Nein, das Gegenteil ist der Fall. Beide – Juden und Christen – sollen durch Jesu Versöhnungswerk am Kreuz Zugang haben zum Vater. Er verbindet sie.
Fragen zum Text:
- „Wir waren Kinder des Zorns“ – manche werden diese Sicht auf unser Leben kaum teilen. Wie können wir dennoch davon sprechen, dass Menschen Erlösung benötigen?
- „Aus Gnade selig geworden durch Glauben“ – wie kommen Menschen dazu, Gott zu vertrauen? Wie haben wir das selbst erlebt?
- Die besondere Verbindung von Juden und Christen: Biblisch belegt und dennoch verdrängt? Wie könnten wir das ändern?