Texterklärung
Das Land der Gastfreundschaft wird in ein lebensfeindliches Gebiet verwandelt, die männlichen Neugeborenen unter den Nachkommen Jakobs zu Todgeweihten gemacht. Jede schwangere Frau muss um ihr Kind bangen. Die Gründe? Geschichtslosigkeit (1,8) und Angst der Alteingesessenen vor der Überfremdung durch die Fremden, die aber doch schon seit Generationen ihren Platz im Land gefunden haben (1,9). Seit Josefs Zeit leben die Israeliten, getrennt von den Ägyptern, in der Landschaft Goschen im östlichen Nildelta (1Mo 46,34). Wir bekommen Einblick in die alltägliche Grausamkeit dieser Epoche: Der Mächtige und Starke hat Recht, der Ohnmächtige muss leiden. Die Eltern von Mose, Amram und Jochebed, haben schon Kinder (6,20), als die Regierung das Gesetz zum Ersäufen der neugeborenen hebräischen Buben erlässt. Aaron ist drei Jahre älter als Mose (7,7), Mirjam mindestens 12 Jahre älter (V. 8: Das hebr. Wort „Almah“ bezeichnet ein Mädchen im heiratsfähigen Alter.).
Geburt eines Todgeweihten
Als Jochebed ihren Sohn entbindet, fasst sie den Mut, sich nicht dem Gesetz der Ägypter zu beugen und ihn nicht zu opfern. Die Begründung: „Sie sah, dass es ein feines Kind war“ (V. 2). Die Formulierung „fein“ (qi-toph) bezeichnet in der Schöpfungsgeschichte sechsmal, wie glücklich Gott über seine Werke ist (1Mo 1,4.10.12.18.21.25). „Wenn du ein Kind siehst, begegnest du Gott auf frischer Tat“ (M. Luther). Die Eltern empfangen ihr Kind als Gottes Wunderwerk. Als die Gefahr zu groß wird, dass die Jäger das Kind finden, vertrauen sie es Gott wieder an: auf dem Nil, in einer Arche (das Wort kommt nur hier und in der Noah-Geschichte vor). Durch die Sünde sind wir Menschen alle dem Tod geweiht, es sei denn, wir vertrauen uns Gott dem Schöpfer und seiner Arche an Gott aber gebraucht ausgerechnet die Tochter des Pharao, der doch den Befehl zur Ermordung der Buben gegeben hat, als Retterin. Dass das Baby ein hebräisches Kind ist, sieht sie, weil es beschnitten ist. Jochebed bekommt etwa drei Jahre Zeit, um ihr Kind zu prägen, denn so lange werden die Säuglinge der Ägypter in dieser Zeit gestillt. Danach bleibt den Eltern nur noch, für ihr Kind zu beten, damit Gott der Herr sich um es kümmert. Aber die Liebe der ersten drei Lebensjahre gibt dem Kind eine feste Verbindung zu seinem Volk.
Flucht eines Todgeweihten
Selbst als die Königstochter das Kind zum „Mose“ macht („Der Name Mose ist ein typisch ägyptischer Kurzname, … dem das sogenannte ‚theophore Element‘, das heißt der Hinweis auf eine Gottheit, fehlt.“, H.-J. Bräumer, Wuppertaler Studienbibel, 2. Mose, S. 59. Die hebräische Sprache lässt dann die Bedeutung zu: „Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen“), selbst als sie ihn wie ihren eigenen Sohn behandelt, durch ägyptische (Priester-) Lehrer bilden lässt, selbst in ägyptischen Prunkgewändern, selbst im höfischen Gehabe bleibt dieser junge Mensch ein Israelit. Es ist wie ein Heimweh: Er wird hingezogen „zu seinen Brüdern“ (V. 11), er ergreift Partei für sie (V. 12). Aber sie können sein Verhalten nicht einordnen und fühlen sich bedroht. Ob der Prinzessinnensohn Mose wohl unversehrt davongekommen wäre, wenn er nach dem Mord am Ägypter demonstrativ ein paar Israeliten umgebracht hätte? Er wählt aber einen anderen Weg (vgl. Hebr 11,24-26). In seiner Todesangst flieht Mose im Alter von 40 Jahren (Apg 7,23) in das Land der Midianiter, östlich des Golfes von Elat.
Zuflucht für einen Todgeweihten
Dort findet Mose Zuflucht bei „dem“ Priester in Midian (V. 16), also dem obersten, dem Priester-König. Sein Name „Reguël“ bedeutet: Er pflegt den Umgang mit El (Gott). Der Name Jitro (3,1) ist wohl ein Titel. Der Todgeweihte findet Zuflucht bei einem Diener Gottes, der gar nicht zu Moses Volk gehört! Gott hat seine Diener an Orten, die wir nicht für möglich halten (vgl. Mt 10,40-42). Mose ist ein „Fremdling“ geworden (V. 22). In welchem fremden Land? In Midian? War er nicht vorher auch schon ein Fremdling in Ägypten? Bis hier könnte es sich um die tragische Lebensgeschichte eines einzelnen Menschen handeln, aber die Verse 23 bis 25 zeigen: Gott hat Pläne und verknüpft die verschiedenen Geschichten zu einer Heilsgeschichte. Aber wie lange lässt Gott sich Zeit? 80 Jahre zuvor erging der Befehl zum Kindermord (vgl. 7,7). Liegt es daran, dass die Israeliten Gott nicht um Hilfe angefleht hatten? Vers 23 deutet es an: Das tun sie erst nach dem Tod des Pharao. Gott hört das Schreien der Israeliten. Er erhört. Er steht zu seinem Bund, er achtet auf sie, er kümmert sich um sie.
Fragen zum Gespräch
- Wie können wir unseren Kindern Werte fürs Leben vermitteln?
- Welche Parallelen können festgestellt werden zwischen Reguël und Melchisedek aus der Abraham-Geschichte (1Mo 14,18-20)?
- „Alle Menschen sind Ausländer – fast überall.“ Wo sind wir Christen Ausländer, und wie können wir dieVerbindung mit der Heimat pflegen?
- Wieviel Zeit vergeht, bis wir Gott um Hilfe anflehen?
EXODUS – Wage den Aufbruch
Hier findest Du alle Unterlagen aus unserer Reihe „EXODUS – Wage den Aufbruch“