02/2023

Mein reizender Handwerker

Die Langsamkeit meines Mannes reizt mich. Während ich hier sitze, steht er in unserer Küche, besser gesagt: in dem kleinen Raum, in dem eigentlich unsere Küche sein sollte! Weil Spülmaschine und Kochstelle zunehmend versagten, haben wir uns für den Kauf einer neuen Küche entschieden. Für mich klang das ziemlich einfach: Alte Küche raus, neue Küche rein. Ich hatte keine Ahnung! Das Einzige, was schnell ging, war das Rausreißen der alten Küche. Das war vor über zwei Wochen. Seither spülen wir in der Badewanne, kochen auf einer kleinen Herdplatte und stolpern über Geschirr und Essensvorräten, die über unseren ganzen Wohnraum verteilt sind.

Mein Mann lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er arbeitet entspannt weiter. Setzt mit schwäbischer Gründlichkeit Bodenfließen ein, hört nebenher Lobpreismusik und freut sich über unsere Campingatmosphäre. Derweil ist für mich die neue Küche ein weit entfernter Lichtstreifen am Horizont. Inzwischen hoffe ich einfach, dass Jesus nicht wiederkommt, bevor sie fertig ist (dann wäre ja die ganze Arbeit vergeblich!).

Ach ja, die Langsamkeit meines Mannes reizt mich. Es reizt mich, wie ruhig er einfach eine Sache nach der anderen erledigt. Es reizt mich, dass provisorische Lösungen für ihn völlig in Ordnung sind. Es reizt mich, dass er umgeben von vielen unfertigen Dingen „Feierabend!“ rufen kann, um freudig zu bestaunen, was er heute geschafft hat.

Eigentlich finde ich das alles sehr reizvoll! Es erinnert mich an unseren Schöpfer. An sein abendliches Betrachten: Und siehe – es war gut! Nicht fertig. Aber gut. Und am nächsten Tag nahm er die schöpferische Arbeit wieder auf. Er macht das bis heute. Er schafft Neues. Auf unserer Erde. In unserem Leben. Er drängelt nicht. Er verfällt nicht in Hektik. Er meint nicht ungeduldig, dass wir doch schon viel weiter sein sollten. Abend für Abend flüstert er liebevoll „Lass es gut sei, mein Kind!“ und am Morgen macht er sich fröhlich pfeifend wieder ans Werk. Wie gut ist das denn!

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