Hintergrund und Ziel des Textes
Die 5 Klagelieder schildern bewegend die Katastrophe des Königreichs Juda im Jahr 587 v. Chr., die Zerstörung der Stadt Jerusalem durch den babylonischen König Nebukadnezar und das Elend der Weggeführten nach Babylon. Inmitten der Trümmer, in der Sünde und dem Elend um ihn
herum, sieht der Verfasser einen Hoffnungsstrahl und entscheidet sich, daran festzuhalten: Gottes Gnade, Barmherzigkeit und Treue (V. 24).
Komposition und Schlüsselwort „hoffen“
Im Urtext zeigt sich, wie kunstvoll und wohl durchdacht der Verfasser seine Anliegen in ein Klagelied gegossen und Vers für Vers als Akrostichon komponiert hat: Immer drei Verse von Klagelieder 3 beginnen in alphabetischer Reihenfolge mit demselben hebräischen Buchstaben. Es handelt sich also nicht um spontane Gedanken, sondern die Verse sind mehrfach reflektiert, erarbeitet, zielgerichtet aufgeschrieben. Diese kunstvolle Komposition spiegelt sich auch im Aufbau wider: In den Versen 18-20 fokussiert der Schreiber auf sich selbst, es geht ihm um seine Lebenskraft, um seine Hoffnung, sein Elend und sein Umherirren, um seine Seele in ihm – 6-mal ist in diesen wenigen Versen im Hebräischen das Suffix „mein“ angehängt.
Die Verse 22-24 fokussieren auf Gott, auf seine Güte und Barmherzigkeit (V. 22) und auf seine Treue (V. 23). Daraus gewinnt der Autor seine Hoffnungsperspektive (V. 24): „Auf ihn will ich hoffen.“ Das hier für „hoffen gebrauchte hebräische Wort „jachal“ strukturiert den ganzen Text – es bildet nicht nur den Abschluss unseres Textes (V. 24), es findet sich bereits im Eingangsvers (V. 18), vor allem aber steht es im Scharnier (V. 21) zwischen den beiden Teilen.
Umschwung von totaler Hoffnungslosigkeit zu beständiger Hoffnung
Den Schlüssel liefert der Scharniervers (V. 21): „Dies will ich mir zu Herzen nehmen, darum will ich hoffen. Wenn ein Jude das im Hebräischen verwendete Verb „schub“ hört, dann denkt er unwillkürlich an die Grundbedeutung dieses Wortes: „umkehren“ und die geistliche Umkehr zu Gott. Sie geschieht im Herzen. Dieses ist für die Menschen im alten Israel nicht nur der Entstehungsort der Gefühle und des Empfindens, sondern der Sitz des Denkens und Wollens. Im Herzen werden die Entscheidungen getroffen. Vers 21 beschreibt also die bewusste Herzensentscheidung, zu Gott umzukehren und auf ihn zu hoffen. Die äußeren Umstände haben sich nicht geändert. Die Trümmerberge sind dieselben
geblieben. Und doch erfüllt den Schreiber Hoffnung und Zuversicht, weil sich sein Fokus geändert hat.
Wie können wir angesichts der Herausforderungen unseres Alltags Hoffnung fassen, wenn unser Lebensentwurf durch eine schlimme Diagnose, durch den Verlust eines lieben Menschen, durch die Rücksichtslosigkeit anderer in Scherben liegt?
Durch die Herzensentscheidungen, die wir in den Herausforderungen unseres Lebens fassen
Wir denken, unser Handeln reagiert auf die äußeren Umstände. Wenn es uns gut geht, können wir fröhlich und hoffnungsvoll sein. Vers 21 macht deutlich, dass es sich umgekehrt verhält. Nicht unser Handeln folgt unseren Gefühlen, sondern unsere Gefühle folgen unserem Handeln, den Entscheidungen, die wir in unserem Herzen treffen. Egal, wie die äußeren Umstände aussehen: Wir können in unserem Herzen souveräne Entscheidungen treffen. Diese Freiheit kann uns nichts und niemand nehmen. Wofür entscheidest wir uns in unserer gegenwärtigen Herausforderung?
- Zu klagen: „meine Lebenskraft“, „mein Elend“, „mein Umherirren“.
- Mein Herz zu Gott zu wenden, seine Gnade, Treue und Barmherzigkeit in den Fokus zu nehmen.
Durch Gottes Gnade, Treue und Barmherzigkeit
Unser himmlischer Vater ist der feste Anker unserer Hoffnung. Äußere Umstände, Sorgen und Nöte mögen unser Leben bedrohen, aber unser Gott bleibt derselbe. Auf seine Gnade, Treue und Barmherzigkeit ist Verlass. „Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.“ Jesus lässt dich nicht los, er hat einen Weg mit uns und Er ist der Grund all unserer Hoffnung. Am Ende steht sein Sieg!
Praxishilfen
- Wo erleben wir in unserem Leben Herausforderungen? Wo stehen wir vor einem Trümmerfeld?
- Was hilft mir bei dem Entschluss, nicht auf meine Sorgen, meinen Verlust, mein Elend zu blicken, sondern auf meinen großen Gott?
- Wo haben wir Jesu Gnade, Barmherzigkeit und Treue in unserem Leben erfahren und können davon berichten?
- Wer aus meinem Umfeld benötigt gerade meine Ermutigung zu diesem Perspektivwechsel? Wie kann ich die Person konkret unterstützen (z. B. durch einen Besuch, ein Mittagessen, Gebet)?