Texterklärung
Der Beginn des Textes greift das Schema des Richterbuches auf: Das Volk Israel lebt in weitgehender Gottvergessenheit. Gott reagiert darauf, indem er Israel durch seine Feinde bedrängt. Nach 40 Jahren schickt Gott einen Retter, Simson, wobei letztlich Gott selbst der Retter seines Volkes ist und bleibt.
Gottgeweiht
Die Geburt ihres Sohnes ist für Manoach und seine Frau, die als unfruchtbar gilt, etwas Besonderes. Nicht umsonst nennen sie ihr Kind „Simson“ – „Sonnenkind“. Besonders ist auch, dass Simson von Geburt an ein Gottgeweihter sein soll. Jeder konnte auf Zeit das sogenannte Nasiräergelübde ablegen. Die Enthaltung von bestimmten Dingen und das Wachsenlassen der Haare waren Zeichen, ganz für Gott leben zu wollen. Simsons Mutter geht davon aus, dass ihr Sohn bis zu seinem Lebensende ein Gottgeweihter sein wird (V. 7). Sie weiß noch nichts von seiner fragwürdigen Moral und dass er seine Weihe – und damit den Geist Gottes – verlieren wird. Für die Eltern und für Israel ist Simson als von Gott berufener Richter ein Hoffnungszeichen und ein Fingerzeig auf Gott, der sein Volk retten will. Tatsächlich „schafft“ es Simson sogar in die Liste der Glaubenshelden in Hebräer 11,32! Gott wirkt, hilft und rettet – auch durch anstößige Menschen wie Simson.
Menschenart
Manoach ist ein bodenständiger Mann, der die Dinge aktiv angeht, Verantwortung übernehmen möchte und einen Bezug zu Gott hat. Er ist wohl ein Mann, der es genau wissen will. Nicht umsonst berichtet seine Frau unaufgefordert, dass sie nicht nach Namen und Herkunft des Mannes gefragt hat. Sie führt den Mann mit dem außergewöhnlichen Aussehen und der außergewöhnlichen Botschaft auf Gott zurück (V. 6), obwohl der Mann kein „So spricht der Herr“ angefügt hat. Er denkt seinem gesunden Menschenverstand entsprechend und geht von einem Menschen aus, den Gott mit einer Botschaft zu ihnen geschickt hat. Deshalb fragt er nach dem Namen des Fremden, will Gastfreundschaft üben und sich erkenntlich zeigen, wenn das Vorausgesagte eintrifft (V. 15+17).
Schon die Ankündigung eines gottgeweihten Sohnes verunsichert, ja, überfordert Manoach. Da kommt plötzlich eine Aufgabe auf ihn zu, die den normalen Erfahrungshorizont überschreitet. Wie schön, dass er sich damit direkt an Gott wendet und um Hilfestellung bittet (V. 8)! Und Gott hört ihn! Aber anscheinend braucht Manoach keine weiteren Infos zur Erziehung des Kindes (V. 13f.). Gott sagt, was wichtig ist (V. 5) und lässt ansonsten Freiraum! Es muss Manoach genügen, dass Gott selbst ihm begegnet und dass er um ihn als Auftraggeber für den besonderen Erziehungsauftrag weiß.
Gottesart
Gott geht mit Manoach einen Weg: Er schickt den Engel ein zweites Mal. Der Engel gibt den Hinweis, dass sein Name „zu wunderbar“ ist, um genannt zu werden (V. 18) und dass ein Opfer statt Gastfreundschaft angebracht ist (V. 16). Erst das übernatürliche Verschwinden des Mannes öffnet Manoach die Augen, dass er dem Engel Gottes begegnet ist. Er reagiert panisch (V. 22). Hier geschieht etwas, das er nicht denken kann. Manoach rechnet mitten im Alltag nicht mit einer göttlichen Begegnung. Er denkt, fühlt und handelt so, wie es seiner bisherigen Lebenserfahrung entspricht. Wie schön, dass Gott sich nicht zu schade ist, sich Manoach Stück für Stück zu erkennen zu geben. Gott ist nicht immer eindeutig erkennbar und er offenbart sich nicht jedem zu allen Zeiten. Aber er kennt seine Menschen und weiß, was sie brauchen. Er begegnete Hanna, der Mutter Samuels, anders als Zacharias, dem Vater Johannes des Täufers, und Manoach wieder anders.
Fazit
Gott führt den Geschichtsfaden weiter – auch heute – durch Zeiten der Bedrängnis und der Hilfe und durch ganz verschiedene Personen, damit sich sein Volk (wir als Christen inbegriffen) wieder auf seinen Gott besinnt. Gott ist bereit, den Weg mit seinen, so unterschiedlich tickenden Menschen mitzugehen. Er gibt sich nicht immer zu erkennen, aber er verhilft zur Erkenntnis, wenn und soweit wir sie brauchen. Wie so oft ist es die Gottesbegegnung, die den Unterschied macht – nicht die gewünschte Antwort auf die gestellte Frage.
Fragen zum Gespräch
- Was ist die „Art“ von Manoachs Frau?
- Wir unterhalten uns über Gottes „Art“ anhand unserer Erfahrung mit Gott. In welcher Person finden wir uns wieder?